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Unsere Leben sind nicht eure Geschäftsidee!

Posted: April 22nd, 2010 | Author: | Filed under: 2010, euromayday | Kommentare deaktiviert für Unsere Leben sind nicht eure Geschäftsidee!

Manifest der AG Kritische Kulturhauptstadt: Das Gespenst der „Kreativwirtschaft“ geht um im Ruhrgebiet. Es soll neues Leben in die Ruinen des Fordismus bringen, ein Leben, das dem alten zum Verwechseln ähnlich sieht. Wie einst Kohle und Stahl soll heute „Kreativität“ den sterbenden Dinosaurier Ruhrgebiet wieder zum Leben erwecken. Ein attraktives – aber nur für die Gewinner der Krise finanzierbares – kulturelles Leben soll die Unternehmen und Betriebe anlocken, und so das Ruhrgebiet zu alter Größe führen. Gekrönt werden soll der wieder auferstandene Koloss von der „Kreativwirtschaft“, dem Symbol für einen bewältigten Strukturwandel.

Doch eure Kreativwirtschaft ist nicht unser Leben. Wir sind kein Standortfaktor, bei dem man sich beliebig bedienen kann, um die eigene Ideenlosigkeit aufzuhübschen. Wir lehnen es ab, dass unsere Tätigkeit zum Instrument der Wirtschaftsförderung und zur Marketingstrategie der Kulturhauptstadt wird. Um die Probleme des Ruhrgebiets zu lösen, braucht es Kreativität, nicht die Institutionalisierung alter Seilschaften unter dem Deckmantel der Kreativwirtschaft.

Wir produzieren Wissen, wir produzieren Ideen, wir produzieren Kultur. Unsere Sounds, unsere Bilder, unsere Worte werden von der Ruhr.2010 umarmt. Doch der Lohn für unsere Arbeit ist permanente Unsicherheit in einem streng hierarchischen Arbeitsmarkt. Während an der Spitze eine Elite von KuratorInnen, IntendantInnen und DirektorInnen ihre Projekte plant und am Markt positioniert, hangelt sich die Mehrheit der Kulturschaffenden von einem Zeitvertrag zum nächsten oder als Selbständige von Projekt zu Projekt – immer den Schwankungen des Markts ungeschützt ausgesetzt. Ganz unten wird ein Heer von Praktikanten mit dem leeren Versprechen der Teilhabe am Kulturbetrieb bei der Stange gehalten. Zwischen Freiheit und Experiment bleibt unser aller Leben durch Sachzwang und Unsicherheit prekär – selten auf hohem, meistens auf niedrigem Niveau. Und manchmal geht auch gar nichts mehr.

Unsere Produktion ist gesellschaftliche Produktion. Kultur verschwindet nicht, wenn sie einmal in die Welt gesetzt ist, sondern existiert als Reservoir für die Neukombination von Ideen weiter, die gesellschaftlichen Fortschritt erst möglich machen. Dabei ist es nicht die Frage nach der Urheberschaft, die uns zusammenbringt, oder die Hoffnung, dass aus dem Kuchen an Fördergeldern ein paar Krümel abfallen. Wir besitzen kein „unternehmerisches Selbst“, sondern Fähigkeiten und Talente, deren Entwicklung für uns unbezahlbar ist.

Die Ruhr.2010 bezieht sich auf die Chancen einer Gesellschaft, in der Wissen und Kreativität als Produktivkräfte wirken. Doch die Teilhabe daran darf nicht durch Lohn- und Auftragsarbeit begrenzt werden. Stattdessen treten wir für ein bedingungsloses Grundeinkommen ein, das einer Gesellschaft, in der alle ProduzentInnen von Ideen sind, gerecht wird. Mit dieser Forderung wollen wir nicht unter uns bleiben. Wie die „intermittents du spectacle“, die ‚frei‘ arbeitenden KulturproduzentInnen, die 2003 in Frankreich für den Erhalt ihrer besonderen Form der finanziellen Absicherung in Zeiten der „Nichtbeschäftigung“ streikten, fordern wir für uns, was wir für alle fordern, egal ob KünstlerIn, Krankenschwester oder ErzieherIn: ein würdevolles Leben nach unseren Fähigkeiten und Bedürfnissen.

Nicht mehr. Aber keinesfalls weniger.


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